Ab jetzt in der Ferne

Wir sind in der Ferne angekommen – und zwar auf Bornholm, wie geplant. Ein Overnighter hat uns hingebracht. Nur zur Verdeutlichung: typische Tagesetappen von Kiel hierher wären gewesen Heiligenhafen, Warnemünde, Barhöft, Saßnitz, Rönne. Also 5 volle Tage segeln mit 2 langen Schlägen, Warnemünde-Barhöft und Saßnitz-Rönne, beide gut 50 Meilen. Die Tage wären gefüllt gewesen mit auf See sein, Hafen ansteuern und verlassen, festmachen, Hafengeld bezahlen, Route für den nächsten Tag planen. Viel gesehen von den Orten hätten wir deshalb nicht (in unserem Fall sind wir auch überall schon gewesen). Statt dessen sind wir nach ruhigen Vorbereitungen am Mittwoch um 14h in Kiel losgekommen. Die See war die ganze Zeit ruhig – zu ruhig, so daß wir die ganze Strecke motort oder ge-motorsegelt sind.

auf See Richtung Bornholm
auf See Richtung Bornholm

Wegen der ruhigen See war es aber sehr entspannt. Emma hat einen Harry Potter-Film gesehen, Birgit hat auf dem Sofa gelesen und ich habe im Cockpit oder am Navitisch gesessen und aufgepaßt. Zweimal war ein Verkehrstrennungsgebiet zu überqueren. Das ist ein Bißchen wie zu Fuß über die Autobahn laufen – spannend, hat aber gut geklappt. Zwischen Mitternacht und 1 Uhr hat mich Birgit abgelöst und ich habe bis nach 4 Uhr recht gut geschlafen. Irgendwann ist Emma aufgewacht in Ihrem Nest-Bett auf dem kleinen Sofa in der Mitte des Salons, dem ruhigsten Platz, den es an Bord gibt. Später ist Birgit von allein aufgewacht und ich habe noch ca. 3 1/2 Stunden geschlafen, zusammen also 7. Weil es so ruhig war, habe ich nach dem Aufwachen geduscht und dann Handtuch und Bettdecken draußen zum trocknen und lüften aufgehängt.

auf Mercators Spuren
auf Mercators Spuren

Wir haben sogar richtig Schule gemacht und zum Thema Sachkunde habe ich Emma die Mercator-Kartenprojektion am praktischen Beispiel erklärt. Das ist eine mögliche und die verbreitetste Lösung für das Problem, die kugelförmige Oberfläche der Erde auf einem flachen Stück Papier darzustellen (oder dem Bildschirm in Google Maps). Würde man eine DIN A4-Seite auf einen Globus legen wollen, gäbe es Knitter. Würde man es mit einer Briefmarke versuchen, ginge es schon besser. Das Knitter-Problem tritt also vor allem bei einem großen Maßstab auf.

Bei der Mercator Projektion wird sozusagen eine Glasscheibe parallel zur Erdachse neben die Erde gestellt. Dann werden die Umrisse der Länder mit Filzstift auf dem Glas nachgezeichnet, während man im rechten Winkel durch das Glas blickt.

eine runde Insel wird oval dargestellt
eine runde Insel wird oval dargestellt

Je schräger die Erdoberfläche hinter dem Glas verläuft, desto mehr werden die Umrisse des Landes verzerrt. Eine runde Insel weit im Norden wird zu einem Oval. So kann man es natürlich nicht lassen. Der Deutsch-Flämische Kartograph Gerardus Mercator hat 1569 das Problem gelöst dadurch, daß er das Papier mit der ovalen aber in Wahrheit runden Insel in die Lange gezogen hat und zwar oben mehr als unten. Das ist der Grund, weshalb man in Seekarten die Seemeilen immer am rechten oder linken Rand in der Höhe ablesen muß, in der die Entfernung gemessen wurde. Wir haben das mit Frischhaltefolie simuliert aber es ist uns dabei natürlich nicht gelungen, oben mehr zu dehnen als unten.

durch Ziehen wird die Insel wieder rund
durch Ziehen wird die Insel wieder rund

Keine Ahnung, wie Mercator das gemacht hat. Er hatte ja wohl noch nichtmal Frischhaltefolie.

Nörrekas/Rönne
Nörrekas/Rönne

Um kurz nach 17 Uhr am Donnerstag sind wir in Rönne angekommen. Weil wir alle ausgeschlafen waren, sind wir nach dem Festmachen herumgewandert, haben einen süßen Eisladen gefunden und die Stadt erkundet. Wir haben also nur 26 Stunden gebraucht wofür andere 5 volle Tage verwendet hätten. Das ist der Trick, mit dem wir in 3 Monaten 3.000 Seemeilen (5.556 km) zurücklegen wollen, in langsamem Fahrradfahrtempo (6 Knoten = 11,1 km/h), und trotzdem noch Zeit haben wollen, tagelang an schönen Orten herumzuliegen.

Ich hoffe es klappt. Und tagelang herumliegen bitte zur Entspannung, nicht wegen Bootsreparaturen.