Von Rödhamn aus überqueren wir das Åland Hav, das Stück Zugang zum Bottnischen Meerbusen, der nicht durch die Åland Inseln versperrt ist, und landen zunächst auf der Insel Blidö mitten im Stockholmer Schärengarten für einen letzten Abend mit unseren deutsch-schwedischen Freunden.
Die Schären liegen hier dicht zusammen und sind immer stärker bevölkert je mehr wir uns der Großstadt nähern. Man kann hier nicht einfach den Autopilot anstellen, eine Zeitung lesen und alle viertel Stunde nach dem Rechten sehen. Es ist fast wie Autobahnfahren und nach 30 Meilen hat man genug für den Tag.
Dafür gibt es aber laufend was zu sehen. Es ist eine Mischung aus Vorstadt und Naherholungsgebiet. Das Wasser zwischen den Inseln bietet zwar eine besondere Atmospäre, ist aber ansonsten ein Hindernis, das überwunden werden muß –
mit verschiedensten öffentlichen Fähren und mit unzählingen kleineren Motorbooten, meist mit Außenbordmotor. Auf den Bootsausstellungen habe ich mich immer gefragt, wer hundert Variationen von 4, 5 und 6 Meter langen Motorbooten mit Außenbordmotor braucht – jetzt weiß ich es: es sind die Zweitwagen der Bewohner aller dieser Inseln. Viele von Ihnen können scheinbar dem Bootfahren überhaupt nichts abgewinnen. Es ist halt nur der einzige Weg, zu ihrem Wochenendhaus zu kommen.
In einem Prospekt über den Stockholmer Schärengarten lese ich den Ratschlag, ausländische Freunde oder Geschäftspartner unbedingt zu einer Rundfahrt durch den Schärengarten einzuladen. „They have never seen anything like it.“ Stimmt – ich auch nicht. Letzten Sommer in den westschwedischen Schären bei Göteborg schon ein bißchen, aber nicht so wie hier. Dort war es noch Wassersport. Hier ist es Vorstadtleben.
Wenn man ein paar Stunden drin herumgefahren ist, bekommt man den Eindruck, ganz Schweden bestünde nur aus Inseln aller Größen und jede Art von Transport müßte über das Wasser erfolgen.
Es gibt pontonartige Lieferboote, die man gegen die Schäre fahren kann und die mit einem hydraulischen Arm Lasten drauf absetzen können. Bauunternehmen fahren damit zu ihren Inselbaustellen.
Es gibt Supermarkt Lieferservice als rasendes RIB mit Doppel-Außenbordmotor. Restaurants haben Anleger für ihre Kunden. Abendveranstaltungen mit Livemusik finden auf Schiffen statt, während sie durch das Schärenmeer tuckern. Einmal kam uns ein größeres Motorboot entgegen, auf dessen oberem Deck ein 20-köpfiger gemischter Chor probte. Auf unserer Milchverpackung ist nicht etwa eine Kuh, sondern eine Bäuerin vergangener Tage, die Milchkannen in einem Ruderboot von Schäre zu Schäre rudert. Und – als Neuling braucht man eine Weile, bis man es so richtig verstanden hat – die finden das hier alle ganz normal.
Wie man es nicht anders von uns kennt, haben wir uns den örtlichen Gepflogenheiten angepaßt und Stockholm per Dinghy erkundet. Das kam, weil ich keine Lust hatte auf 650 Kronen Liegegeld (~ 60 Euro) pro Nacht in Stockholms Vasahamn, dem traditionellen Liegeplatz für Besucher-Yachten. Das wäre der höchste Preis gewesen, den wir jemals irgendwo bezahlt hätten, ein Dockhafen in London eingeschlossen, und das auch noch für vier Nächte.
Statt dessen haben wir einen Tip von Niels ausprobiert: Fjäderholmarna (Frühlingsinseln). Diese liegen etwa drei Seemeilen vom Zentrum entfernt. Auf der größten davon, Stora Fjäderholm, etwa 400m Durchmesser, betreibt die Kungliga Djurgårdens Förvaltning, also der schwedische Staat, einige Restaurants, Museen, Kunsthandwerk-Werkstätten und einen Brauerei-Pub. Letzterer hat Schilder an der Wand wie
„Beer – because you don’t make friends with salad“
und
„Beer is not the answer. Beer is the question. ‚Yes‘ is the answer.“
Außerdem gibt es eine Bootstankstelle und Liegeplätze für etwa 15 Boote, von denen aber nur wenige belegt waren. Alle halbe Stunde bis 23:30h kommt eine Fähre und bringt und holt die Besucher bzw. Gäste. Das ist natürlich alles recht touristisch, aber für uns hat es gut gepaßt. Wir sind Abends über die Insel gelaufen, haben ein Bier getrunken, haben die Kunsthandwerk-Läden besucht (unser Luxus-Budget ist inzwischen massiv überzogen), haben Diesel gebunkert und haben beim Essen im Cockpit dem Treiben um uns herum zugesehen.
Das Liegegeld wird an der Tankstelle bezahlt und Birgit hat dort auf die 300 Kronen noch einigen Rabatt erhalten, so daß wir über alles bei vielleicht 200 Kronen pro Nacht gelandet sind.
Nach den Erkundungen des Tages haben wir uns wieder auf unsere Insel zurückgezogen. Nachdem um halb zwölf die letzte Fähre abgefahren ist, kehrt auf der Insel Ruhe ein. Als hätte man ihn für uns gegraben, gibt es auch einen süßen Kanal für drei Viertel des Weges zwischen der Innenstadt und unserer Insel, durch den wir zweimal täglich mit dem Dinghy getuckert sind.
Wegen des vielen Wassers überall eignet sich Stockholm auch grundsätzlich sehr gut für eine Besichtigung per Beiboot.
Für Besuche von Museen, der Gamla Stan oder Bootszubehörläden muß man aber natürlich doch öfter an Land und dann mangelt es leider etwas an Möglichkeiten, das Dinghy zu parken. Da hilft nur frech sein und das sind wir inzwischen geworden, wenigstens in dieser Beziehung.
Von den Fjäderholmarna geht es weiter durch den Schärengarten und, nach einem Stop in Dalarö, mit einem Overnighter nach Visby auf der mitten in der Ostsee gelegenen Insel Gotland. Davon mehr beim nächsten Mal.