Nach der Rückkehr aus Sankt Petersburg verhandeln wir mit dem Hafenmeister um einen besseren Liegeplatz, verlegen das Boot und starten eine große Wäsche – mit der Waschmaschine im Hafen und mit einem uns freundlicherweise dauer-geliehenen Washboy.
Später scheint die Sonne und wir sitzen unter Deck als wir draußen Bootsgeräusche und Rufe hören.
Es sind Matti und Riitta, die Finnen aus Klaipeda und Liepaja, mit Ihrem Boot Amber. Sie waren inzwischen auf Gotland (Schweden) und haben von Marinetraffic den Tip bekommen, daß wir hier sein würden. Sie waren schon oft hier und kennen einen noch besseren und außerdem billigeren Liegeplatz im Kalev Jahtklubi auf der anderen Seite des Hafens. Wir fahren bei Ihnen an Bord hin, vorbei am Olympiasymbol, und holen später unser Boot nach.
Das Wetter is prima und wir verbringen ein paar nette Tage in Tallinn. Matti und Riita zeigen uns das älteste Cafe der Stadt und das Rathaus, das keine Kirche ist
Es geht zur Aussichtsplattform, wo diese Möve den ganzen Tag als Fotomodell herumsteht und sich fütten läßt, und in eine orthodoxe Kirche mit Zwiebeltürmen.
Der nächste Tag bedeutet Aufregung für Emma, denn sie hält per Skype ein Referat vor ihrer Klasse und berichtet von der bisherigen Reise.
Im Klassenraum gibt es ein Smartboard, so daß alle gut sehen können. Zu Beginn rufen alle Klassenkameraden „Wir vermissen Dich Emma“. Über eine Stunde lang erzählt sie, zeigt mehr als 100 Fotos und beantwortet Fragen. Vielen Dank an die Klasse für soviel Geduld.
Am Nachmittag besichtige ich noch das neue Marinemuseum in einem alten Hangar für Wasserflugzeuge. Am nächsten Vormittag geht es für die beiden Finnen gen Heimat denn ihr Urlaub neigt sich dem Ende zu.
Wir kommen mit. Es liegt ja in unserer Richtung.
Bei knackigem Wind brettern wir mit 7 1/2 und 8 Knoten über den Golf von Finnland. Emma hat diesen Film gemacht:
Auf der anderen Seite tauchen wir ein ins Saaristomeri („Inselmeer“ auf finnisch). Der Seegang läßt nach, der Wind geht zum Abend zurück und es wird friedlich. Wir folgen Amber zu einer Schäre namens Pentala, wo einer ihrer mehreren Yachtclubs liegt. Alle bewohnbaren Schären in diesem „Meer“ gehören Privatleuten, einer Stadt oder Gemeinde oder Clubs. Städte und Gemeinden bieten ihre Schären für jeden an und stellen manchmal auch Infrastruktur bereit wie Plumpsklos und Müllsammelstellen. Man kann überall nur per eigenem Boot hinkommen oder manchmal per öffentlicher Fähre. Auch der Müll wird per Boot eingesammelt. In dieser Umgebung würde ich ernsthaft über eine Karriere als Müllwagenfahrer nachdenken. Pentala enthält einen kleinen Süßwassersee und ist mit einem Wald bedeckt, der aus Ronja Räubertochter stammen könnte. Ein anstregender Kraxelpfad führt über die Insel, der aber praktisch nicht benutzt ist, da alle Bewohner, mehrere Privatleute und der Club von Matti und Riitta, mit dem Boot kommen. Eine Fähre gibt es hier nicht.
Wir liegen an einem Schwimmsteg mit Heckbojen. Der Club hat auf der Insel mehrere Hütten, die die Mitglieder reservieren können für Übernachtungen, mehrere Grillplätze und, ganz wichtig, eine Holzofensauna direkt am Wasser. Zum Abendessen gibt es in einer Art flachem Wok über einer Gasflamme gebackene Pfannkuchen – eine finnische Tradition, die unsere beiden Gastgeber mit Zwiebeln, Pilzen, Käse usw. weiterentwickelt haben. Danach geht es in die Sauna – nach finnischer Tradition mit Bier.
Wir wollen zwei Nächte bleiben, haben aber die Aufgabe zu lösen, Birgit zum Flughafen zu bekommen, die nach Hamburg fliegen muß. Ein paar Seemeilen entfernt gibt es einen kleinen Hafen am Festland mit einer Busstation. Dahin geht es mit dem Dinghy (unser Beiboot). Es regnet und wegen frischem Wind wird die Dinghyfahrt mal wieder zu einem nassen Rodeoritt. Dann steigt Birgit in einen Bus und ist weg. Die nächsten drei Tage sind Emma und ich allein.
Mit Matti und Riitta wandern wir über die Insel und pflücken die spärlichen Blaubeeren dieses Sommers mit einem Blaubeeren-Pflückgerät, das Ähnlichkeit hat mit dem Schöpfgefäß für Optis.
Für die beiden folgenden Tage wollen unsere Gastgeber zu einer anderen Schäre namens Porkala, wo ein anderer ihrer Clubs liegt. Wir sind eingeladen zu folgen und tun das gerne. An fremden Orten gibt es nichts besseres, als sich die schönsten Plätze von Einheimischen zeigen zu lassen.
Wegen der Windrichtung liegen wir an Porkala nicht vor dem Club, sondern an der anderen Seite an einem hohen Felsen mit perfektem Windschutz. Das Ufer ist tief genug, so daß man vom Bug direkt auf den Fels steigen kann. Unsere Vorleinen sind an einem Schärennagel befestigt, den ein Vorgänger wohl nicht mehr herausbekommen hat, und an einem Baum. Achtern hält uns unser Heckanker. Das ist das typische Schärenliegen und es gibt wohl keine schönere Art zu liegen. Wenn der Wind allerdings quer auf das Boot drückt, wird die Leine des Heckankers in einem ungünstigen Winkel belastet. Rutscht der Anker dann ein Stück, haut der Steven auf den Fels. Sowas passiert meistens mitten in der Nacht. Es ist deshalb eine gute Idee, zur Nacht die Vorleinen ein Stück loszugeben, damit das Boot ein gutes Stück vom Fels weg ist. Falls man wegen starkem Wind mitten in der Nacht weg muß, hilft es auch sehr, die Vorleinen auf Slip zu legen (zum Land und wieder zum Boot zurück, so daß man zum Lösen das Boot nicht verlassen muß). Die beiden Nächte auf Porkkala war das aber nicht nötig.
Wir haben die Schäre erkundet und eine unbenannte Insel in der Nähe mit dem Dinghy erobert und in Besitz genommen.
Sie heißt jetzt „Julieö 2“ (Position 59°57,99’N 024°27,576’E). Julieö 1 liegt bei Kungsö an der Westküste Schwedens und wurde im letzten Sommer erobert. Diese Tradition haben wir von Sönke Roever abgekuckt. Deren „Hippopotamusö“ liegt in Richtung Turku. Später wird mir allerdings klar, daß wir hier ja in Finnland sind und wir unsere Neuerwerbung deshalb korrekterweise „Juliesaari“ hätten nennen sollen (ein nachgestelltes „ö“ steht für Insel auf Schwedisch und Dänisch, „saari“ heißt dasselbe auf Finnisch).
Die Landung auf Julieö 2 gelingt erst beim zweiten Anlauf und endet mit einem nassen, grün-schmierigen Kind. Eroberungen waren halt zu allen Zeiten mit großem Risiko verbunden.
In dieser Bilderbuchwelt kann man als Neuling eigentlich ununterbrochen in alle vier Richtungen gleichzeitig fotografieren. Hier nur eine kleine Auswahl.
Beide Abende, die wir dort sind, grillen wir auf dem Fels. Dann ist Mattis und Riittas Urlaub zu Ende und es geht in Ihren Heimathafen Nokkala nahe Espoo bei Helsinki. Wieder sind wir eingeladen, mitzukommen.
Vor dem Yachthafen gibt es eine unbenutzte Muringboie, die wir haben dürfen. Das Boot des Besitzers steht gerade an Land. Und auch hier ist es sehr idyllisch.
Durch den Tip mit dem besseren Liegeplatz in Tallinn haben wir einiges Liegegeld gespart und danach hatten wir für zusammen 8 Nächte prima kostenlose Liegeplätze und haben in Nokkala auch noch Wasser bekommen. Wir sind Matti und Riitta zu großem Dank verpflichtet! Dazu bekamen wir noch sehr nette Gesellschaft, Pfannkuchen, Holzofen-Sauna, viele Tips für schöne Plätze in den Schären in Richtung der Åland Inseln und schließlich bekomme ich auch noch ihr Auto geliehen, um damit Birgit vom Flughafen abzuholen. Ich hoffe, wir können die beiden mal in Deutschland begrüßen, per Boot oder als Flugzeug-Urlauber.
An den beiden folgenden Tagen fahren wir, wieder zu dritt, mit dem Bus nach Helsinki. Eine schöne Stadt. Und sehr teuer. Knapp 50 Euro für 2 Cheeseburger, 1 Portion Pommes, 1 Bier und 1 Saftschorle. Allein das Bier kostet fast 8 Euro. Ich versuche, beim Essen nicht dran zu denken aber es gelingt mir nicht ganz.
Wir machen eine Rundfahrt mit dem Boot, eine weitere mit dem Bus und verbringen noch ein paar Stunden auf der großen Festungsanlage Suomenlinna. Die Stadt liegt in einem Schärenmeer und überall sind Bootsliegeplätze. So würde ich eine Stadt entwerfen!
Nach einem weiteren netten Abend bei Matti und Riitta an Bord heißt es schließlich Abschied nehmen. Am nächsten Morgen kaufen wir einen halben Lidl-Markt auf (ab jetzt werden Lebensmittel teuer) und füllen unseren Wassertank am Steg. Dann geht es weiter nach Hanko, dem finnischen Boots-Mekka, wo wir unseren Freund Peter mit Sohn Julius in Empfang nehmen wollen.